Lernpfade

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Buch: Lernpfade
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Datum: Freitag, 18. Oktober 2024, 17:33

1. Was sind Lernpfade?

Definition nach Roth (2014):

Erläuterung des Begriffs "Lernpfad"
Im Rahmen eines Lernpfads erfolgen Lernaktivitäten entweder in einer vorgegebenen Reihenfolge oder die Lernenden können durch Verzweigungen individuelle Lernwege einschlagen. Lernpfade können demnach eine konkrete Anweisung für die Erarbeitung eines Themengebiets sein, oder lediglich eine Empfehlung für einen bestimmten Weg durch ein Themengebiet (Oberhuemer, 2004).

Offenheit
Lernpfade beinhalten die Möglichkeit einer offenen Herangehensweise, um sich ein Thema zu erarbeiten. Schüler*innen kann es erlaubt sein, je nach der didaktischen Anlage von Lernpfaden, in Abhängigkeit ihrer Vorkenntnisse, ihrer Bedürfnisse oder Interessen, den vorgesehenen Weg zu verlassen. Sie können sich eigene Wege bahnen, indem sie z.B. Abkürzungen wählen oder auch länger und vertiefter bei einem Thema verweilen. Ein Lernpfad kann sich anhand einer Lerneinheit oder eines strukturierten Pools an Materialien mit einzelnen Lernschritten ergeben, die die Lernenden im eigenen Tempo online selbstständig bearbeiten. Sie eignen sich dadurch auch für offene Aufgabenstellungen und forschendes Lernen.

in einem Labyrinth werden verschiedene Wege aufgezeigt, die zum Ausgang führen

2. Gestaltung & Didaktik

Roth (2014, S. 5 ff) beschreibt detaillierter, was Lernpfade ausmacht: Ein Lernpfad soll zur aktiven Auseinandersetzung mit den präsentierten Informationen und Inhalten anregen, bspw. in Einzel-, Partner- oder Gruppenarbeit anregen.[1] Um dies zu erreichen, reicht es nicht, geeignete dynamische computerbasierte Lernmaterialien auszuwählen und aneinanderzureihen. Vielmehr ist „die Gestaltung und innere Logik der Beschreibungstexte, die sich auf die einzelnen Materialien beziehen, […] der entscheidende Punkt. Erst dadurch bekommt der ‚Pfad‘ durch den Contentpool einen auf das Lernen bezogenen Sinn, und hierin liegt der Schlüssel zur didaktischen Qualität eines Lernpfads. Das gilt insbesondere dann, wenn Lernpfade zur Organisierung selbstgesteuerten, eigenverantwortlichen Lernens eingesetzt werden.[2]

Lernpfade sind strukturierte Materialienpools im Internet, die interaktive Materialien wie Applets, dynamische Arbeitsblätter und Tests enthalten. Wesentlich ist für sie dabei, dass ein Arbeitsplan vorliegt, der auf Schülerselbsttätigkeit abzielt und die Schüler*innen entdecken, Vermutungen formulieren, argumentieren und begründen lässt.[3]

Probleme, die dabei zu Beginn auftreten können, sind Defizite hinsichtlich der eigenverantwortlichen Steuerung der Lernprozesse bei Schüler*innen. Sie können sich dadurch in den bereitgestellten Materialien verlieren. Um dem entgegenzuwirken, sollen Pfade so konzipiert werden, dass Lerner*innen sie jederzeit verlassen und zurückkehren können, um eigengesteuert einen Weg zu suchen. Pfade in unterschiedlichen Schwierigkeitsstufen könnten ebenfalls vorteilhaft sein.[4]

Ebenso ist es sinnvoll, zu den einzelnen Arbeitsaufträgen jeweils abrufbare Hilfen einzubetten, in Form von schriftlichen Hilfestellungen an problematischen Stellen. Dies ermöglicht eine individuelle Förderung und erlaubt es den Lehrkräften, besser auf die Bedürfnisse einzelner Schüler*innen einzugehen.[5] Außerdem wird empfohlen, Möglichkeiten zur eigenen Ergebniskontrolle bereitzustellen und die Protokollierung von Erarbeitungsergebnisse von den Lernenden auch einzufordern. So wird die Verbindlichkeit der Bearbeitung erhöht.



[1] Stepancik, 2008, S. 152.

[2] Embacher, 2004, S. 3.

[3] Mann & Dorfmayer, 2007.

[4] Ernst, 2005, S. 69.

[5] Vollrath & Roth, 2012, S. 219; Weigel, 2013, S. 85.


3. Theorie & Strukturbäume

Nachfolgend sehen Sie vier Strukturbäume mit unterschiedlich starken Verzweigungen. Je stärker die Verzweigung, desto individueller können die Lernpfade sein.

3.1. Strukturbaum: Linearer Lernpfad


3.2. Strukturbaum: halboffener Lernpfad (Scaffolding)

3.3. Strukturbaum: individuelle, lineare Lernpfade in Abhängigkeit des Vorwissens

3.4. Strukturbaum: individuelle, selbstgesteuerte, interessensgeleitete Lernpfade

4. Moodle "Voraussetzungen"

Im nachfolgenden Video wird erläutert, wie mit der Funktion "Voraussetzungen" in Moodle individuelle Lernpfade gestaltet werden können.





5. Lernpfade über "Moodle-Lektionen"

In den beiden Videos auf den nachfolgenden Seiten wird erläutert, wie mit einer Moodle-Lektion Lernpfade gestaltet werden können. Hier finden Sie außerdem eine schriftliche Anleitung.

5.1. Wie erstelle ich eine Lektion? - Erklärvideo Teil 1

5.2. Wie erstelle ich eine Lektion? - Erklärvideo Teil 2

5.3. Moodle-Lektion: Vor- und Nachteile

Vorteile

•       Bietet unterschiedliche Fragetypen

•       Innerhalb des Feedbacks auf Fragen kann auf Inhalte verlinkt werden

•       Bietet Cluster-Funktion – zufällige Anordnung von Fragen

•       Verzweigungen sind bis zu einem gewissen Grad möglich

 

Nachteile

•       Teilweise kein schönes Design

•       Wenig intuitiv

•       Sehr aufwändig in der Erstellung -> Kosten-Nutzen Verhältnis fraglich

6. Lernpfade über "H5P-Branching Szenarios"

In den nachfolgenden Videos erfahren Sie, wie Sie ein H5P-Branching Szenario anlegen können.

6.1. Wie erstelle ich ein H5P-Branching Szenario? - Erklärvideo Teil 1

6.2. Wie erstelle ich ein H5P-Branching Szenario? - Erklärvideo Teil 2

6.3. H5P-Branching Szenario: Vor- und Nachteile

Vorteile

•       Integration einiger Inhaltstypen möglich -> multimediale Aufbereitung

•       Hoher Grad an Selbststeuerung möglich

Nachteile

•       Sehr aufwändige Erstellung, wenn Inhalte im Materialpool absolut selbstgesteuert und interessensgeleitet ausgewählt werden sollen

7. Offene Settings & Interaktive PDFs

Dimensionen eines offenen Settings nach Peschel (2002)

Aufgrund einer fehlenden allgemeingültigen Definition wird im Folgenden der Versuch unternommen, offenen Unterricht anhand der Dimensionen der Offenheit sowie anhand eines Stufenmodells von Peschel (2002) zu kategorisieren. 

Folgende Dimensionen führt Peschel (2002) auf:

  • Organisatorische Offenheit (Rahmenbedingungen wie Ort, Zeit, Sozialform)
  • Methodische Offenheit (Lernwege)
  • Inhaltliche Offenheit (Lerninhalte)
  • Soziale Offenheit (Ablauf, Regeln, etc.)
  • Persönliche Offenheit (Beziehungsklima) 
Zudem klassifiziert er unterschiedliche Öffnungsgrade mittels eines Stufenmodells (Peschel, 2002):

Stufe 0: organisatorische Öffnung: Öffnung und Differenzierung durch die Lehrperson  

Stufe 1: methodische Öffnung: Individualisierung vom Lernenden aus

Stufe 2: methodische und inhaltliche Öffnung (zusätzlich zur Stufe 1 auch inhaltliche Mit- bzw. Selbstbestimmung, interessegeleitetes Lernen)

Stufe 3: soziale Öffnung: Demokratie und Selbstverwaltung

7.1. Beispiel eines offenen digitalgestützten Praxisbeispiels

Im Folgenden lernen Sie ein Praxisbeispiel eines offenen Settings von der Webseite Übersicht – Elektrizität 2 – Offenes Lernen (offenes-lernen.de) aus dem Bereich der Elektrotechnik kennen. Kennzeichnend für das Praxisbeispiel sind insbesondere die methodische, die organisatorische und  (bis zu einem gewissen Grad) die inhaltliche Offenheit. Hierbei ist zu betonen, dass die Azubis zur erfolgreichen Bewältigung dieses Lernsettings in der Lage sein müssen, eigenverantwortlich zu arbeiten und bestenfalls bereits über ein gewisses Vorwissen zur Thematik verfügen sollten.


1. Gestaltung der Oberseite

Zunächst gibt es auf der Seite bestimmte Oberthemen, die dann in Unterteilthemen gegliedert sind. Sie sind verlinkt. Wenn man auf die Links klickt, gelangt man auf die Materialpools mit Grundlagentexten, Erklärvideos, Simulationen, usw. 

Mittig ist der Titel "Energie und Elektrizität" zu lesen. Darunter folgen Verlinkungen zu Fachtexten u. Infos zu Unterthemen.

Im folgenden Video erhalten Sie einen kleinen Einblick in die digitalen Lernmedien, die den Lernenden zur Verfügung stehen:


2. Binnendifferenzierung ist möglich

Das besondere an den zugehörigen Aufgabenstellungen ist, dass sie nach unterschiedlichen Niveaustufen gegliedert sind, so dass binnendifferenziert gearbeitet werden kann.

Bereich mit dem Titel Infos, Arbeitsblätter & Themenhefte zum Herunterladen, darunter eine entsprechende Ordnerstruktur


3. Binnendifferenzierung umgesetzt

Im Folgenden Screenshot befinden wir uns nun auf der Ebene der Niveaustufe 2. Um das Niveau eines Lernenden zu bestimmen, würde es sich anbieten, zu Beginn einen unbewerteten Lernstandstest (siehe Tutorial unter "Durch Voraussetzungen individualisieren:") und auf Basis dessen die Zuordnung vorzunehmen. 

Die Erarbeitung durch die Lernenden wird durch einen Arbeitsplan mit Wahl- und Pflichtaufgaben strukturiert. So ist sichergestellt, dass erforderliche Grundlagen erarbeitet werden. Zusätzlich besteht der Freiraum, eigene Interessensschwerpunkte zu setzen. Auch die Reihenfolge kann frei gewählt werden. So durchlaufen die Lernenden das Material auf individuellen Lernwegen. 

Bei den Arbeitsblättern handelt es sich um interaktiv gestaltete PDF-Dokumente, die die Lernenden abspeichern können und mit einer Musterlösung vergleichen können. Im Arbeitsplan können die Lernenden die Aufgaben, die sie bereits erledigt haben, abhaken. Diese Übersicht kann auch zwischendurch an die Lehrperson geschickt werden, um zu überprüfen, welche Fortschritte innerhalb eines Zeitraums gemacht wurden. Es wäre ebenfalls denkbar, vereinzelt die Einreichung von Lösungen verpflichtend zu machen. Hierbei würde sich eine abschließende Aufgabe anbieten, die zeigt, dass die Grundlagen erfasst und angewendet werden können.

Arbeitsblätter  der Niveaustufe 2 sind zu sehen, die Erarbeitung erfolgt über einen Arbeitsplan mit Wahl- & Pflichtaufgaben



7.2. Beispiel für Lernpfade durch den Einsatz von interaktiven PDF-Dokumenten

Hier finden Sie ein Beispiel für ein solches interaktives Pdf: 03-2E-Elektrische Ladung

8. Quellen

Embacher, F. (2004). Lernpfade – Wege zu selbstgesteuertem Lernen. Vortrag gehalten auf der 9. Internationalen Tagung über Schulmathematik: Alternative Wege in Unterricht und Leistungsbeurteilung. Technische Universität Wien, 26. 2. 2004. Wien. Verfügbar unter www.mathe-online.at/monk/TU26.2.2004/paperLernpfade.doc (13.11.2023).


Ernst, A. (2005). Konstruktivistisch orientierte Aufbereitung mathematikdidaktischer Inhalte für Hypermedia. Entwicklung einer modellhaften Vorgehensweise. Hildesheim: Franzbecker. Verfügbar unter www.worldcat.org/oclc/179718103 (13.11.2023).


Mann, M. & Dorfmayer, A. (2007). Neue (Lern-)Pfade beschreiten. mathematik lehren, 140, 63-64.

Oberhuemer, P. (2004). Open Studio und Lernpfade - Einführung in das praktische Arbeiten. Präsentation zum Workshop der 9. Internationalen Tagung über Schulmathematik: Alternati-ve Wege in Unterricht und Leistungsbeurteilung. Technische Universität Wien. Verfügbar unter http://www.mathe-online.at/monk/TU26.2.2004/Workshop26.02.2004.pps (13.11.2023).


Peschel, F. (2002). Offener Unterricht. Idee – Realität – Perspektive und ein praxisnahes Konzept zur Diskussion. Teil I: Allgemeindidaktische Überlegungen. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren.


Roth, J. (2014). Lernpfade – Definition, Gestaltungskriterien und Unterrichtseinsatz. In: J. Roth; E. Süss-Stepancik; H. Wiesner (Hrsg.). Medienvielfalt im Mathematikunterricht − Lernpfade als Weg zum Ziel. S. 3-25. Heidelberg: Springer Spektrum.


Stepancik, E. (2008). Die Unterstützung des Verstehensprozesses und neue Aspekte der Allge-meinbildung im Mathematikunterricht durch den Einsatz neuer Medien. Dissertation, Universität Wien, Wien. Verfügbar unter http://idmthemen.pbworks.com/f/2008-diss_stepancik.pdf (13.11.2023).


Vollrath, H.-J. & Roth, J. (2012). Grundlagen des Mathematikunterrichts in der Sekundarstufe. Heidelberg: Spektrum Akademischer Verlag.


Weigel, W. (2013). Moodle: E-Learning und Lernpfade. In M. Ruppert, J. Wörler (Hrsg.): Technologien im Mathematikunterricht. Eine Sammlung von Trends und Ideen. S. 81–87. Wiesbaden: Springer Spektrum.